Trans*_Nichtbinär

Trans* im Medizin-
system

Nicht jede trans* oder nichtbinäre Person benötigt oder wünscht medizinische Leistungen, um den eigenen Körper zu verändern. Ob und in welchem Umfang junge trans* und nichtbinäre Menschen diese in Anspruch nehmen, ist allein ihnen überlassen. 

Denn nur die betreffende Person kann bestimmen, was sich für die eigene individuelle Situation gut und richtig anfühlt. Einige erleben durch vergleichsweise leicht zu beschaffende Hilfsmittel bereits Euphorie und Erleichterung. Andere Personen streben medizinisch-indizierte Lösungen an, um ihr äußeres Erscheinungsbild an ihre Geschlechtsidentität anzugleichen. 

Eventuell hat die junge trans* oder nichtbinäre Person bereits sehr lange und sehr intensiv über mögliche medizinische Schritte nachgedacht. Oder sie sieht sich mit scheinbar unüberwindbaren Hindernissen konfrontiert und zieht Sie aus diesem Grunde ins Vertrauen.     

Die Art und der Umfang der medizinischen Leistungen sollten zunächst keine Rolle spielen. Vielmehr ist es von großer Wichtigkeit, trans* und nichtbinären Kindern und Jugendlichen den Zugang zu einer angst- und diskriminierungsfreien Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Dabei können Sie als Bezugsperson oder Familienmitglied im Alltag wichtige Unterstützung leisten.

Eigene Ängste abbauen

Vielleicht machen Sie sich Sorgen über eine junge Person in Ihrem Umfeld. Eventuell befürchten Sie vorschnelle oder sogar unüberlegte Schritte, die nicht rückgängig gemacht werden können. Oder es fällt Ihnen schwer, Ihrem Kind oder einem jungen Familienmitglied Verantwortung für die eigene körperliche und seelische Gesundheit zuzugestehen. 

Schämen Sie sich nicht für Ihre Ängste und Sorgen. Laden Sie die Belastungen, die daraus entstehen können, aber nicht auf der jungen trans* oder nichtbinären Person ab. Denn der Kontakt mit dem Gesundheitswesen ist für trans* und nichtbinäre Menschen bereits oft schon herausfordernd genug. Setzen Sie sich mit Ihren eigenen negativen Gefühlen auseinander. Sprechen Sie mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie hier: für Eltern und (Wahl)Familie, oder hier: für Fachkräfte.

Sie als Bezugsperson und Unterstützung in einem so sensiblen Bereich wie der eigenen Gesundheit zur Seite zu haben, kann für eine junge trans* oder nicht-binäre Person von unschätzbarem Wert sein.

Nicht-medizinische Hilfsmittel 

Vielleicht wünscht sich der junge Mensch (auch) nicht-medizinische Hilfsmittel, die körperbezogene Dysphorie lindern und/ oder das eigene Wohlbefinden steigern können. 

Das können einfach zugängliche Dinge wie Kleidung oder Make-up sein. In anderen Bereichen benötigt Ihr Kind oder Familienmitglied vielleicht stärker Ihre Unterstützung: Binder, Packer oder Brustpads von guter Qualität sind häufig teuer oder nur in spezialisierten Geschäften und im Internet zu bekommen.

Die Kosten für bestimmte Hilfsmittel wie Brustbinder oder Epithesen werden unter Umständen auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. 

Bei der Anwendung ist manchmal etwas Übung notwendig. 

Mehr Informationen zu sicherem Tucken und Binden

Falls es der Person angenehm ist, bieten Sie Hilfe bei der Recherche oder der Beschaffung der entsprechenden Hilfsmittel an. Respektieren Sie dabei persönliche Grenzen sowie die Intimsphäre. 

Diagnosen und Behandlungsrichtlinien

Trans* und nichtbinäre Menschen werden auch im Gesundheitssystem häufig diskriminiert. Bis heute noch wird trans* Personen in Deutschland mit der Diagnose „Transsexualismus“ eine „Geschlechtsidentitätsstörung“ attestiert. 

Diese veraltete und pathologisierende Diagnose könnte zum Glück jedoch bald der Vergangenheit angehören: Das Diagnoseklassifikationssystem, genannt ICD, wurde dahingehend bereits überarbeitet. Mit Erscheinen der ICD-11 (der 11. Version der Internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten und Gesundheitsproblemen der WHO) wurden im Januar 2022 längst überfällige Aktualisierungen vorgenommen: Die pathologisierenden Einstufungen wurden durch die Diagnose "Gender Incongruence" (zu Deutsch „Geschlechtsinkongruenz“, also die dauerhaft fehlende Übereinstimmung zwischen zugewiesenem Geschlecht und der Geschlechtsidentität) ersetzt. 

Auch die Diagnose im Kinder- und Jugendbereich wurde in der ICD-11 entsprechend zu den Erwachsenen auf „Gender incongruence of childhood" aktualisiert.

Bis die ICD-11 in Deutschland eingeführt wird, kann allerdings noch viel Zeit ins Land gehen. Ein konkretes Datum steht aktuell noch nicht fest.3 Dennoch sind diese Neuerungen ein weiterer wichtiger Schritt Richtung Entstigmatisierung von trans* und nicht-binären Personen. 

Ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung einer fairen und angemessenen Behandlung von trans* und nichtbinären Patient*innen im Kindes- und Jugendalter ist die sogenannte S3-Leitlinie Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter, Diagnostik und Behandlung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).4 Sie enthält beispielsweise Empfehlungen für die Behandlung trans*spezifischer Gesundheitsfragen.
Erwachsene trans* Menschen können sich auf die S3-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit berufen6. Für diese hat der Bundesverband Trans* (BVT*) einen Leitfaden für Behandlungssuchende erstellt. 

Die Leitlinien sind einerseits Orientierung für das Personal im Gesundheitswesen und andererseits Werkzeug in Händen von Patient*innen und deren Familien zur Durchsetzung von Ansprüchen und Forderungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen. Aktuell wird die Leitlinie für Kinder und Jugendliche überarbeitet. 

Überblick trans*spezifischer medizinischer Angebote

Begleittherapie 

In der Begleittherapie werden Diagnosen und Indikationen für eventuell anstehende Hormontherapien und Operationen gestellt.4
Diese sind aktuell notwendig, um später die Kostenübernahme angleichender Operationen durch die Krankenkasse zu beantragen. 

Ein*e gute*r Therapeut*in unterstützt trans* Patient*innen auf Augenhöhe und informiert sie über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, sowie damit einhergehende Folgen. Die Patient*innen erhalten dort, sofern gewünscht, einen sicheren Raum zur Erprobung und Reflexion der eigenen (geschlechtlichen) Identität. Auch im Umgang mit dem sozialen Umfeld, beispielsweise mit der Familie, Freund*innen, oder der Schule kann ein*e Therapeut*in Unterstützung bieten.

Die Kosten für eine Begleittherapie werden übernommen, sofern sie von einem*einer Therapeut*in mit Kassensitz durchgeführt wird. 

Medizinische Hilfsmittel

Darunter fallen z.B. Binder (medizinische Kompressionsshirts), Brust-, und Genitalepithesen.

Hormontherapie 

Darunter fallen Östrogen- und Testosteron-Therapien sowie Hormonblocker (Pubertätshemmer).

Geschlechtsangleichende Operationen

Epilation (Körperhaarentfernung) 

Logopädie (Stimmtherapie)

Gesundheit und Prävention

Der Zugang zu einer guten gesundheitlichen Versorgung ist für trans* Personen oft mit Hürden und Hindernissen versehen. Schamgefühle, negative frühere Erfahrungen oder Angst vor Misgendering oder anderer Diskriminierung können trans* Kinder und Jugendliche dazu bringen, wichtige Termine oder Untersuchungen nicht wahrzunehmen.

Um eine erste Hilfestellung für einen selbstbewussten und verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Gesundheit zu geben, hat die LaKo Trans* NRW die Broschüre Vorsorge und Trans* Gesundheit von trans* Personen für trans*Personen herausgebracht.

Darin gibt es Informationen zum Ablauf gängiger Routine- und Vorsorgeuntersuchungen sowie Tipps für ein entspannteres Davor, Dabei und Danach. 

Medizinische Versorgung für trans* Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft

Jede Person, die einen Aufenthaltstitel in Deutschland besitzt, ist auch hier gesetzlich krankenversichert. Es besteht dann grundsätzlich ein Recht auf die gleiche medizinische Behandlung, wie sie Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit zusteht.

Ist ein Asylverfahren noch nicht beendet oder wurde ein Asylantrag abgelehnt, wird die medizinische Versorgung nur eingeschränkt übernommen. Beratungsangebote oder ein Therapieplatz können beispielsweise bereits aufgesucht werden. Für junge trans* und nichtbinäre Menschen im Asylverfahren kann das aber bedeuten, dass eine Hormonbehandlung oder andere Gesundheitsleistungen nur unter bestimmten Umständen bezahlt wird. 

Unterstützung können auch hier Beratungsstellen für queere Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund geben:

Gemeinsam für eine bessere Versorgung junger trans* und nichtbinärer Menschen 

Indem Sie sich mit den Möglichkeiten vertraut machen, die das deutsche Medizinsystem bietet, können Sie eine wertvolle Stütze für trans* und nichtbinäre Menschen in Ihrem Umfeld sein. 

Wichtig ist, darauf zu hören, was sich die einzelne Person wünscht. Und Raum zum Ausprobieren, Nachdenken und – wenn die Person dies möchte – für einen gemeinsamen Austausch zu schaffen. 

Hier kann auch der Kontakt zu queeren Communitys oder zu einer queer* bzw trans*spezifischen Beratungsstelle hilfreich sein.

Angebote für Eltern* in NRW